Schadensaufnahme und Sanierungsempfehlungen

Bevor Anfang 2013 mit dem Eigentümerwechsel Sicherungs- und Rückbaumaßnahmen am Objekt Hagen 25 erfolgten, stand es mehrere Jahre leer. Die zu diesem Zeitpunkt vorgefundenen Schäden und Mängel an der Substanz beruhen vorwiegend auf Schäden in der Dachdeckung und –entwässerung, den jahrelangen Leerstand und die damit fehlende Wartung und Instandhaltung. Durch den ungehinderten Zutritt von Feuchtigkeit, Ungeziefer, aber auch illegale Müllablagerungen entstanden gravierende Schäden insbesondere am Dachwerk, an Deckenbalken und Deckenfüllungen sowie an den Fachwerkhölzern und angrenzenden Gefachfüllungen der hofseitigen Westfassade sowie am freistehenden Nordgiebel. Der Sandsteinsockel des Nordgiebels erhebt sich zudem aus dem Lauf des Mühlgrabens und ist somit einer stetigen Wasserberührung ausgesetzt. Sowohl der im Bachbereich liegende Sandsteinsockel als auch die aufgehende Fachwerkwand im Erdgeschoss neigten sich bereits nach außen (1).
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Abb. 1 Schäden am Sockelmauerwerk des Nordgiebels (Foto: R. Becker, ö.b.u.v. Sachverständiger der HWK Magdeburg)
Durch den hinzugezogenen Holzschutzsachverständigen ist im Bereich Obergeschoss/Dachgeschoss an der westlichen Seite des Nordgiebel ein Befall mit Echtem Hausschwamm nachgewiesen worden, welcher sich durch die typischen ausgeprägten Myzelstränge und den groben Würfelbruch an den Konstruktionshölzern darstellt (2).
Durch die bereits ohne fachplanerische Begleitung begonnenen Rückbauarbeiten kam für die Schadbereiche des Echten Hausschwamms nur noch eine konventionelle Sanierung mit Rückschnitt der befallenen Hölzer und Rückbau der angrenzenden Gefach in Betracht (3).
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Abb. 2 Befall durch den Echten Hausschwamm im westlichen Obergeschoss des Nordgiebels (Foto: R. Becker, ö.b.u.v. Sachverständiger der HWK Magdeburg)
Ebenfalls an der westlichen Seite, jedoch im Erdgeschoss sowie an der östlichen Seite des Nordgiebels am Dachfuß ist als holzzerstörender Gebäudepilz der Ausgebreitete Hausporling festgestellt worden (4). Das Schadbild zeigt sich als Weißfäule und beschreibt eine streifenweise Zersetzung des Holzes mit fasrigem Zerfall (Holzerweichung) durch Ligninabbau (5).
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Abb. 3 Befall durch den Echten Hausschwamm im westlichen Obergeschoss des Nordgiebels (Foto: R. Becker, ö.b.u.v. Sachverständiger der HWK Magdeburg)
Auf Empfehlung des Sachverständigen sollte eine Holzschutzmittelbehandlung im Streichverfahren für den Befalls- und Sanierungsbereich des Ausgebreiteten Hausporlings gemäß des erarbeiteten Bestands- und Kartierungsplanes vom Nordgiebel durchgeführt werden. Hierbei waren alle Konstruktionshölzer nach Gesundung, aber vor Anschuhung / Verstärkung mit einem der empfohlenen Holzschutzmittel 3x in Folgen von 30 – 60 Minuten zu behandeln (6).
Weitere vom Holzschutzsachverständigen dokumentierte Schäden an den Holzbauteilen sind der Befall mit Moderfäule – eine langsam wirkende Zerstörung durch Aushöhlung der Zellwände durch niedere Pilzarten bei hoher Dauerdurchfeuchtung – der Befall durch den Gescheckten Nagekäfer und durch den Hausbock, welcher die äußere Holzschicht schont und nur unter der oberflächlich intakt wirkenden Holzoberfläche tätig ist (7). Am Hagen 25 war der Hausbockbefall nicht mehr aktiv.
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Abb. 4 Kartierung der Schäden und Maßnahmen am Nordgiebel (DFWZ in Zusammenarbeit mit R. Becker, ö.b.u.v. Sachverständiger der HWK Magdeburg)
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Abb. 5 OG – abgesägter Deckenbalken in einem westlichen Raum, unzureichende Sicherungsmaßnahmen, keine baufachliche Freigabe (Foto: Stöckicht, DFWZ)
Aufgrund der starken Schädigungen der konstruktiven Hölzer durch die benannten tierischen Schädlinge und Pilze und der damit verbundenen statisch-konstruktiven Beeinträchtigungen des Nordgiebels, weiterer Schäden an der Westfassade und den einbindenden Innenwänden, der nicht fachplanerisch begleiteten und somit leichtfertig ausgeführten Rückbauarbeiten sowie unzureichender Absteifungen bestand zum Zeitpunkt der Schadensaufnahme durch den Sachverständigen Einsturzgefahr. Eine sofortige Konsultation eines Tragwerkplaners war zwingend erforderlich (8).
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Abb. 6 OG – abgesägter Deckenbalken in einem westlichen Raum, unzureichende Sicherungsmaßnahmen, keine baufachliche Freigabe (Foto: Stöckicht, DFWZ)
Unabhängig von den Untersuchungsergebnissen des Holzschutzgutachters waren zu diesem Zeitpunkt bereits die Holz-Geschosstreppen, die Dacheindeckung, etliche Deckenbalken und Deckenfüllungen, bestehend aus Lehmwickeln und Dielen in den westlichen Räumen sowie zwei in die westliche Außenwand einbindende Fachwerkinnenwände zurückgebaut.
Die Räume im Obergeschoss an der Westfassade waren nicht begehbar, da die Deckenfüllungen fehlten und keine Sicherungslage eingebaut war. Durch den Rückbau der Deckenfelder und das unkontrollierte Abtrennen von Deckenbalken wurde nicht nur das Fachwerkgefüge als (normalerweise) in sich geschlossenes statisches Gesamtgefüge geschwächt, im Erdgeschoss waren dadurch Innenwände, z.B. im Bereich des Durchgangs zur Hofseite abgängig. Diese Wand musste beidseitig abgestützt werden, weil sie ansonsten komplett umgestürzt wäre. Am Nordgiebel war zudem ein Teil des Fußbodens zum Keller eingebrochen.
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Abb. 7 EG/OG - fehlende Deckenfüllungen in den westlichen Räumen (Foto: Stöckicht, DFWZ)
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Abb. 8 KG/EG – eingebrochener Kellerfußboden entlang des Nordgiebels (Foto: Stöckicht, DFWZ)
An erster Stelle der Sanierungsmaßnamen sollte demnach unter Einbeziehung des Tragwerksplaners und des Holzschutzsachverständigen die fachgerechte Ertüchtigung der Fachwerkkonstruktion, Ergänzung der fehlenden und geschädigten Deckenbalken und der schadhaften Dachkonstruktionshölzer in traditioneller Zimmermannstechnik stehen. Hierzu gehört auch ein entsprechender Schutz des Gebäudes vor Niederschlagswasser, z.B. der Schutz der Dachfläche durch Folien bzw. nachfolgend eine entsprechende Dacheindeckung. Weiterhin gehört die fachgerechte Sanierung des Sockelmauerwerkes, beginnend am im Bachlauf stehenden Nordgiebel und weiterführend an der Westfassade zu den vorrangigen Ertüchtigungsmaßnahmen.
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Abb. 9 KG/EG – eingebrochener Kellerfußboden im Bereich Westfassade/ Nordgiebel (Foto: R. Becker, ö.b.u.v. Sachverständiger der HWK Magdeburg)
Bei der Sanierung des Kellers sollte darauf geachtet werden, dass keine abdichtenden Zementputze an den Wänden aufgetragen werden, da durch die behinderte kapillare Abtrocknung, z.B. von aufsteigender Feuchtigkeit, die Feuchtebelastung des Mauerwerks gefördert wird. Ratsam ist eine dünne Kalkschlämme als Wandbeschichtung von innen.
Die Wände und Decken im Hagen 25 sind in der Regel mit einem zweilagigen Lehmputz bekleidet. Die Gefachefüllungen bestehen aus Ziegelsteinen, Lehmsteinen bzw. Lehmgeflecht., die Deckenfüllungen aus Lehmwickeln. Vorherrschende Schadensbilder sind Risse im Verputz, die sich meist entlang der darunter liegenden Holzkonstruktion erstrecken, aber auch Feuchteschäden im bodennahen Bereich. Reparaturmaßnahmen sollten sowohl für die Füllungen als auch für den Verputz konsequent materialkonform ausgeführt werden, um späteren Bauschäden vorzubeugen. Zusätzlich ist eine nachträgliche Dämmung der Fachwerkaußenwände und des Daches erforderlich.
Hierfür stehen verschiedene denkmalgerechte, Substanz schonende, ökologische Systeme zur Verfügung. Wegen der geringen Raumgrößen empfiehlt sich als Wanddämmung die Verwendung von Wärmedämmlehmplatten oder Holzfaserdämmplatten, die schon bei einer Dicke vom 6 cm und einem zusätzlichen 2-lagigen Lehmputz sehr gute Dämmergebnisse erzielen. Voraussetzungen für ein funktionierendes Plattendämmsystem sind neben einem ebenen und fluchtrechten, staubfreien Untergrund auch, dass dieser frei von losen Putz- und Farbresten oder Sperrschichten ist und das gesamte Dämmsystem homogen, also hohlraumfrei verarbeitet wird.
Zu empfehlen ist die Cellco® Wärmedämmlehm-Platte, ein Gemisch aus Kork, Kieselgur, Holzvlies und Lehm. Sie wird verarbeitungsfertig geliefert und ist durch die Vortrocknung ausgehärtet (9). Dadurch kann insbesondere in durch den Echten Hausschwamm vorbelasteten Gebäudeabschnitten einer zu hohen Bauteilauffeuchtung entgegengewirkt werden.
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Abb. 10 Beispiel Einbau einer nachträglichen Innendämmung aus Cellco® Wärmedämmlehm-Platten (Foto DFWZ)
Bei größeren Fehlstellen oder Unebenheiten auf der Innenseite der Außenwand muss eine Ausgleichsschicht aufgetragen werden. Der Ausgleich sollte sich in Struktur und Beschaffenheit dem Bestand anpassen und vor der Weiterverarbeitung ausgetrocknet sein. Nachdem die zu dämmenden Flächen und die Plattenränder mit CELLCO® Contact-Dämm-Mörtel eingestrichen und die Dämmplatten in die feuchte Kontaktmasse homogen angedrückt wurden, sind zusätzliche Befestigungspunkte durch Tellerdübel (ca. 5 - 6 Stk/qm) zu fixieren und der zweilagige Lehmputz auf einem Putzträger, beispielsweise Schilfrohrmatten, aufzutragen (10).
Holzfaserdämmplatten bestehend aus Holzweichfasern sind je nach Hersteller in unterschiedlichen Ausführungen im Handel erhältlich. So sind z.B. Pavadentro-Platten, die bereits mit einer innenliegenden mineralischen Funktionsschicht für einen kontrollierten Feuchtetransport ausgestattet sind (11) oder dreischichtige Holzfaserdämmplatten mit unterschiedlicher Dichte der jeweiligen Lage, die mit PVAC-Weißleim miteinander verklebt sind, aber eine zusätzliche dampfdiffusionsstabilisierende Schicht mit Gewebeeinlage – einen sogenannten Multigrund erfordern, auf dem Markt erhältlich.
Die Holzfaserdämmplatten werden vollflächig mit Lehmmörtel oder dem herstellerspezifischen Kontaktdämmmörtel eingeschwemmt. Die Befestigung erfolgt ausschließlich im Dübelverfahren, wobei 5 - 6 Tellerdübel je qm vorzusehen sind. Beim Aufkleben der Dämmplatten sind Kreuzfugen zu vermeiden. Der zuvor evtl. aufgebrachte Ausgleichsputz darf noch feucht, aber nicht nass sein. Auch bei den Holzfaserdämmplatten erfolgt raumabschließend das Auftragen eines zweilagigen Lehmputzes mit Gewebeeinlage (12).
Für die Dämmung des ausgebauten Daches sollten nach Möglichkeit ebenfalls wohngesunde Baustoffe wie Holzfaserdämmplatten verwendet werden.
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Abb. 11 Bestand Erdgeschoss (Zeichnung DFWZ, Luthardt, Stöckicht)
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Abb. 12 Entwurf Erdgeschoss (Zeichnung DFWZ, Luthardt, Stöckicht)
Jegliche diffusionsdichten bzw. mit Kunstharzdispersionen versetzten Außen- und Innenanstriche auf Hölzern, der Ausfachung oder den Innenputzen sind problematisch, da es dadurch zu einer Feuchteanreicherung im Bauteil kommen kann. Eine sinnvolle Alternative zu den modernen, chemisch veredelten Farbsystemen bieten traditionelle, naturbasierte Rezepturen. Holzschutzlasuren aus pflanzlichen Ölen, zum Teil auch Naturharzen, mit Naturfarben (Pigmenten) versetzt, sind frei von chemischen Lösungs- oder Bindemitteln. Sie sind geeignet für einen dauerhaft offenporigen Anstrich von Fachwerkhölzern und Holzbekleidungen (13). Für den Anstrich von Lehm- und Kalkputzen eignen sich Kalk- bzw. Kalk-Kaseinfarben. Kasein als Bestandteil von Milch wird durch die Zugabe von Kalkhydrat aufgeschlossen, wobei sich das sehr beständige Bindemittel Kalkkasein bildet (14). Neben Kalkfarben sind für die Beschichtung von neuen Kalkputzen alternativ auch reine Silikat (Mineral-) farben geeignet (15). Als chemisch-reaktives Bindemittel fungiert eine wässrige Kali-Wasserglas-Lösung. Für die Farbgebung können nur alkalibeständige Pigmente (z.B. Titandioxid, Eisenoxid) benutzt werden (16). Für die Beschichtung von Gefacheputzen können weiterhin Naturharz-Fassadenfarben auf der Bindemittelbasis von Leinöl-Standöl, Lärchenharz-Balsam, Kiefernharz, Dammar und Füllstoffen/Pigmenten wie z.B. Buchenholzzellulose, Talkum, Titandioxid, Wasser, Borax, Borsäure, Quellton, Bienenwachs, Milch-Kasein, Balsamterpentinöl, Alkohol verwendet werden. Diese Anstriche sind sehr spannungsarm, besitzen eine gute Elastizität und aufgrund ihrer Molekularstruktur ein gutes Haftungsvermögen. Das Dampfdiffusions- und Resorptionsvermögen des Untergrundes wird nicht wesentlich beeinträchtigt (17).
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Abb. 13 Bestand Obergeschoss (Zeichnung DFWZ, Luthardt, Stöckicht)
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Abb. 14 Entwurf Obergeschoss (Zeichnung DFWZ, Luthardt, Stöckicht)
An den einfach verglasten Fenstern am Hagen sind Schäden durch Witterungseinflüsse und Nutzung unverkennbar. Besonders betroffen sind die waagrechten, der Witterung ausgesetzten Rahmenteile. Aufgrund der Versprödung des Farbsystems und der daraus resultierenden Rissbildung konnte Niederschlagswasser und Luftfeuchtigkeit eindringen und das Holz zum Quellen bringen.
Aus denkmalrechtlichen und Ressourcen schonenden Gründen ist eine Restaurierung historischer Fenster immer einem Ersatz durch Neubauten vorzuziehen. Den Restaurierungsarbeiten sollte eine Bestandsaufnahme mit Bildern oder Handskizzen sowie Maßen zugrunde liegen. Die Mehrzahl der historischen Reparaturverbindungen stellt auch für heutige Ausbesserungen eine geeignete Lösung dar (18).
Einsetzungen und Ergänzungen sollten immer in der gleichen Holzart und Maserung erfolgen, wie es das historische Vorbild des Bestandes vorgibt. Fehlende oder stark zerstörte Beschläge sollten durch einen fachkundigen Schlosser repariert oder aus einem Fundus von Altbeschlägen bzw. durch Fertigung neuer Beschläge nach historischem Vorbild ersetzt werden. Im Rahmen einer Verbesserung des Gesamtwärmeschutzes ist es sinnvoll, die vorhandenen Einfachfenster auf der Innenseite durch das Vorsetzen von Einscheiben-Isolierglasfenstern zu Kastenfenstern umzubauen. Sie erfüllen die heutigen Anforderungen an Wärme- und Schallschutz sehr gut. Der Umbau sollte erst nach der Fertigstellung einer nachträglichen Innenwanddämmung erfolgen, wenn die tatsächlichen Wandstärken vorliegen. In welcher Art und Weise die Innenflügel ausgeführt werden, sollte mit den Denkmalbehörden abgestimmt werden.
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Abb. 15 Bestand Dachgeschoss (Zeichnung DFWZ, Luthardt, Stöckicht)
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Abb. 16 Bestand und Entwurf Dachgeschoss (Zeichnung DFWZ, Luthardt, Stöckicht)
Vorhandene und intakte Dielung bietet sich nach einer fachgerechten Restaurierung ebenfalls für die Wiederverwendung an.
Vor dem Rückbau oder einer Instandsetzung von Putzen und Anstrichen in den Innenräumen ist die Untere Denkmalschutzbehörde LK Harz bzw. das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Sachsen-Anhalt zur Beurteilung von vorhandenen Altputzen und Altfassungen hinzuzuziehen. Historisch wertvolle Befunde sollten erhalten und entsprechend restauriert bzw. gesichert werden.
Dem Wunsch des Bauherrn zur Schaffung vermietbarer 2 bis 4-Raum-Wohnungen, incl. des kompletten Dachgeschossausbaus wurde dahingehend entsprochen, dass seitens des Deutschen Fachwerkzentrums für jedes Geschoss ein bis drei Varianten eines Raumprogrammes (Entwürfe in Grundrissform) entwickelt wurden. Dabei stand eine maximale Erhaltung der vorhandenen Raumstrukturen im Vordergrund. Unter der Maßgabe: „die Nutzung passt sich dem Bestand an“ und unter dem Aspekt, das Dach möglichst schonend – d.h. geringfügige Eingriffe, kein Ausbau der Kehlbalkenebene – in die Wohnnutzung einzubeziehen, ist es möglich zwei 2-Raum- und eine 3-Raum- oder eine 2-Raum- und zwei 3-Raumwohnungen in den Hauptgeschossen sowie jeweils eine 4-Raumwohnung im DG zu integrieren. Zur Hofseite könnten eine Terrasse und zwei Balkonanlagen angebaut werden.