RENAISSANCE
GASTHOF Z. TANNE - ROSMARIENSTRASSE 7-10

Schadensaufnahme

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Abb. 1 Schichtenfolge des Baugrundes Rosmarienstr. 8 hofseitig (Grafik aus geotechnischer Auswertung zur Baugrunduntersuchung, SUB GmbH, Dr. rer. nat. W. Klisch, 2012)

Baugrund:

Bereits im Mai 1993 stellte Herr Dipl.-Ing. Jörn Miehe vom Büro HMP, Braunschweig, in seinem Bericht zum Gebäudezustand an der Nord-Ost-Ecke der Tordurchfahrt Rosmarienstraße 7/8, hofseitig und zum angrenzenden Objekt Neukirchenstr. 37 größere Setzungsschäden fest, die sich u.a. im Bruch von Deckenbalken, in Verformungen, in der Schieflage von Geschossdecken und in Wandschäden in den darüber liegenden Geschossen äußerten (1).
Eine Rammsondierung (2) erwies unterhalb 1,0 m Bodentiefe eine ca. 50 cm dicke Ton-Schluff-Schicht und in ca. 1,65 m Bodentiefe Grundwasser (3). Im Rahmen einer erneuten Baugrunduntersuchung durch die SUB GmbH wurde folgender Schichtenaufbau von oben nach unten dokumentiert: 80 cm Schluff mit eingebetteten Kies- und Bauschuttpartikeln (deutlich aufgeweicht, geringe Lastaufnahmefähigkeit), 50 cm organisch durchsetzte, stark feinkiesführende Schluffschicht mit geringer Dichte, mindestens 1,70 m sandige, schwach schluffige, steinführende Kiese mit hoher Lagerungsdichte. Der Grundwasserspiegel zum Zeitpunkt der Untersuchung lag bei ca. 2,60 m Bohrtiefe (4). Nachsetzungen des Baugrundes lassen sich mit einer erheblichen Verringerung der Lastaufnahmefähigkeit der Schluffschichten bei langer Durchfeuchtung, z.B. durch kapillaren Feuchtetransport oder Ansteigen des Grundwasserspiegels bis in den Schluffschichtenkomplex, begründen (5). Günstige Bedingungen für eine Gebäudegründung weisen die sandigsteinigen Kiesschichten unterhalb der Bodentiefe von 1,30 m auf (6).

Sockelmauerwerk/Keller:

Das Sockelmauerwerk in der Rosmarienstraße 7/8 besteht straßenseitig und am Ostgiebel aus Sandsteinen – straßenseitig teilweise zusätzlich mit einer einlagigen, hochkant gemauerten Rollschicht aus Ziegelsteinen. Unterhalb des Bogenfensters bis hin zum westlichen Gebäudeende ist das Sockelmauerwerk weniger als 20 cm hoch gemauert; die Rollschicht ist hier nicht vorhanden. Weiterhin gibt es im gesamten Sockel- bzw. Kellermauerwerk keine horizontale Sperrung gegen aufsteigende Feuchte. Der Sandsteinsockel weist straßenseitig mehrere Reparaturstellen, ein Ausbrechen/Auswaschen des Fugenmörtels durch eine regelmäßige, starke Durchfeuchtung sowie eine daraus resultierende Lockerung der kleineren Steine auf.
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Abb. 2 Geschädigter Sockelbereich Straßenfassade
Das Haus ist weitgehend unterkellert, wobei der Zugang vom ehemaligen Schankraum aus zu einem Tonnengewölbe derzeit nicht möglich ist, da die ebenerdige Öffnung im Fußboden fest vernagelt ist. Vermutlich aufgrund des hohen Grundwasserstandes wurde der Fußboden (Ziegelschicht) angehoben. Die lichte Raumhöhe im Scheitel beträgt wohl nur noch 1,0 m (7).
Die Süd- und die Westwand des Kellers unter dem Saal Rosmarienstraße 7/8 bestehen vorwiegend aus Sandsteinmauerwerk. Durch aufsteigende Feuchte und eine unzureichende Durchlüftung des Kellers sind alle Wände stark durchfeuchtet, Lehmputze bzw. Kalkschlämmen sind abgängig, der Lehmboden ist ausgewaschen, rissig und aufgeworfen. Der Stahlunterzug sowie die Stahlauflager der Kappendecke sind stark verrostet.
Die Natursteinwände der Keller Rosmarienstraße 9/10 sind ebenfalls durch aufsteigende Feuchte gekennzeichnet. Die Holzbalken über den Kellern biegen sich durch, weisen Feuchteschäden und z.T. starke Fraßspuren durch holzschädigende Insekten auf. Die aufliegenden Bohlen sind teilweise gebrochen.
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Abb. 3 Kellerwände mit Feuchteschäden, verrosteter Stahlunterzug, Holzbalkendecke mit Durchbiegung und Feuchteschäden
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Abb. 4 Kellerwände mit Feuchteschäden, verrosteter Stahlunterzug, Holzbalkendecke mit Durchbiegung und Feuchteschäden
Bei der Sanierung der Keller ist neben einer fachgerecht auszuführenden Sohle auf ausreichende Durchlüftungsmöglichkeiten zu achten. Auf eine Hydrophobierung oder einen Zementverputz des Sockels sollte auf jeden Fall verzichtet werden, um ein Abtrocknen von aufsteigender Feuchtigkeit, Kondensat oder Witterungseinflüssen auch weiterhin zu gewährleisten.
Hofseitig ist in der Rosmarienstraße 9-10 kein Sockelmauerwerk erkennbar. Ziegel- und Natursteinausfachungen liegen auf dem Boden oder auf z.T. im Erdreich liegenden Schwellhölzern auf.
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Abb. 5 Hoffassade Rosmarienstr. 7-10, fehlendes Sockelmauerwerk, Schwellhölzer und Ausfachungen liegen im Erdreich.

Außenputze/Außenanstriche:

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Abb. 6 Straßenfassade Rosmarienstr. 7-10, durch defekte Dachentwässerung stark geschädigter Ständer
Als Schadensbilder an den Lehm-Außenputzen können schollenartige Ablösungen, Auswaschungen und Fehlstellen dokumentiert werden. Die mit Ziegelsteinen geschlossenen Gefache an den Rückfronten sind gar nicht verputzt. Im Rahmen einer Sanierung sollten die Ziegelgefache entweder mit einem Kalkputz versehen oder nach einer Ertüchtigung fachgerecht ausgefugt werden.
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Abb. 7 Durch defekte Dacheindeckung und defekte Entwässerung zerstörter Knotenpunkt Deckenbalken/Ständer/Rähm mit Verlust der Tragfähigkeit (straßenseitig)
Lose oder hohlliegende historische Putzlagen sollten gehalten und rückbefestigt werden. Als Witterungsschutz kommt eine dünne Kalk-Oberputzlage z.B. aus gelöschtem Branntkalk oder Weißkalkhydrat in Frage. Je nach Produkt beträgt der Anteil hydraulisch wirkender Bindemittel bis zu 30% (8). Dadurch steigt die Resistenz des Putzes gegen Witterungseinflüsse an. Als Zuschlagstoffe
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Abb. 8 Tordurchfahrt Hofseite, Setzungsschäden, Risse in Konstruktionshölzern, fehlerhafte Reparaturverbindung - kein Kraftschluss
für Putzmörtel können Feinsande und gegebenenfalls Fasern zur Erhöhung der Reißfestigkeit beigegeben werden.
Die Anstriche auf den Holzbauteilen und Gefacheputzen sind durchweg stark rissig und blättern großflächig ab. Möglichkeiten zur Abnahme der Farbreste und Farbgebung sind beim Objekt Markt 3 beschrieben.
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Abb. 9 Abgeschnittene Ständer, fehlende Riegel an der Rückfront Nr. 9/10
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Abb. 10 Gefachfelder mit stark ausgewaschenen Lehmsteinen
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Abb. 11 Abgewittertes Gefach mit sichtbarem Lehmgeflecht

Dach:

Die Dacheindeckung des Gebäudekomplexes 7 bis 10 besteht aus historischen Linkskrempern. Unterseitig, also im Dachraum, gibt es keinen Ziegelverstrich. Die Mehrzahl der Dachziegel ist sehr porös, teilweise gerissen oder durch großflächige Abplatzungen instabil. Die Eindeckung der Dachflächen ist insbesondere in den Häusern 9/10 sehr undicht, die oberste Ziegellage und die Firstziegel fehlen weitgehend, so dass über Jahre ungehindert Feuchtigkeit eintreten konnte. Die daraus resultierenden Schäden erstrecken sich von feuchtegeschädigten Dachstuhlhölzern und Holzbohlen, welche auf den Kehlbalken aufliegen, bis hin zu zerstörten Sparrenfüßen, Rähmhölzern und Deckenfeldern, welche partiell bereits eingestürzt sind. Desweiteren drohen aufgrund des fehlenden Ziegelverbundes weitere Dachziegel abzurutschen. Der Ziegelbehang am Giebeldreieck des Westgiebels Nr. 7/8 weist ebenfalls mehrere Fehlstellen auf.

Innenräume Wände, Decken:

Die Wände und Decken sind in der Regel mit einem zweilagigen Lehmputz bekleidet – einem gröberen Lehmunterputz mit Stroh und einem feinen Lehmoberputz. Vorangegangene Putzausbesserungen erfolgten meist in Kalk-Zementputz oder Gips. Vorherrschende Schadensbilder sind Risse im Verputz, die sich meist entlang der darunter liegenden Holzkonstruktion erstrecken. Auf den Fachwerkinnenwänden befinden sich durchgehend desolate Altanstriche
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Abb. 12 Entlang des defekten Fallrohrs an Haus Nr. 9/10 sind Fachwerkhölzer und Lehmausfachungen stark geschädigt.
und Tapeten. Feuchte Putzabschnitte bis hin zum Ablösen
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Abb. 13 Verputztes Gefach straßenseitig, Anstrich rissig, blättert ab.
der Putzschale sind hauptsächlich an Wand- und Deckenbereichen feststellbar, die einem massiven Feuchteeintrag durch die undichte Dacheindeckung oder undichte Außenwandbereiche ausgesetzt sind. Neben hohlliegenden Putzschalen und netzförmiger Rissbildung finden sich hier Schimmelpilzbefall sowie an freiliegenden Hölzern und Lehmwickeln weiterer Pilzbefall und Fraßspuren holzzerstörender Insekten. Besonders betroffen sind die Deckenfelder in den Obergeschossen.
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Abb. 14 Desolater Altanstrich auf den Fachwerkhölzern
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Abb. 15 Durch eindringende Feuchtigkeit geschädigte Holzbauteile im Dachraum.

Dämmung Außenwände:

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Abb. 16 Unterseite der Eindeckung mit stark porösen, abgeplatzten und fehlenden Ziegeln.
Unter den Gesichtspunkten der Bauökologie, Diffusionsoffenheit und kapillaren Leitfähigkeit eignet sich eine Innendämmung mit Wärmedämmlehm oder Holzfaserdämmplatten analog der Ausführung bei den Objekten Markt 3, Hagen 45 und Rössingstraße 5. Im Ergebnis der Wärmeschutzberechnung (9) für die Außenwände ist zumindest hofseitig anzuraten, Gefache mit Ziegelsteinausmauerung mit einem zusätzlichen Außenputz – vorzugsweise Wärmedämmputz - zu versehen. Dadurch wird einerseits der Wärmedämmwert verbessert und andererseits die ohne Verputz anfallende Kondensatmasse zwischen Ziegelstein und innerem Lehmverputz am Ende der Kondensationsperiode reduziert. Keine Kondensationsauffälligkeiten gibt es bei Ausfachungsmaterialien aus Lehm.
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Abb. 17 Auch am Ziegelbehang des Giebeldreiecks fehlen Dachziegel.

Innenräume Fenster:

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Abb. 18 Risse im Lehmverputz entlang der Konstruktionshölzer, Ablösen von Putzschalen
An den einfach verglasten Fenstern zeigen sich Schäden in Form von Versprödung und Rissbildung des Anstrichs. Aufgrund des jahrelangen Leerstandes und der fehlenden Pflege und Wartung der Fenster brachten eindringendes Niederschlagswasser und Luftfeuchtigkeit das Holz zum Quellen.
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Abb. 19 Risse im Lehmverputz entlang der Konstruktionshölzer, Ablösen von Putzschalen
So haben sich die Fensterrahmen und Flügel z.T. stark verzogen. Weitere Schäden treten in den Bereichen der Verriegelungen und der Bänder auf, die z.T. sehr schwergängig und verrostet sind. Die Restaurierung alter Fenster wird beim Markt 3 beschrieben. Um den heutigen Anforderungen an den Wärme- und Schallschutz gerecht zu werden, ist es sinnvoll, die vorhandenen Einfachfenster auf der Innenseite durch das Vorsetzen von Einscheiben-Isolierglasfenstern zu Kastenfenstern umzubauen.
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Abb. 20 Feuchteschäden an den Decken (Lehmverputz abgängig, Pilzbefall der Hölzer)
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Abb. 21 Feuchteschäden an den Decken (Lehmverputz abgängig, Pilzbefall der Hölzer)

Innenräume Bodenbeläge:

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Abb. 22 Straßenfassade mit geschädigten Einfachfenstern
In der Rosmarienstraße 7 bis 10 sind verschiedene Bodenbeläge vorzufinden. Die Räume im Erdgeschoss sind mit Estrich, großformatigen Natursteinplatten auf Erdreich oder mit kleinformatigen Steinfliesen, einzelne Räume mit Dielung belegt. In den Obergeschossräumen findet man vorwiegend Dielenböden und nur wenige Räume mit Estrichböden auf Lehmwickelfüllung vor. Der Estrich ist in allen Räumen stark gerissen und z.T. schollenartig verschoben.
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Abb. 23 Durch Feuchteeintrag stark geschädigte und herausgebrochene Dielen
Die Natursteinplatten und Fliesenbeläge sollten aufgenommen und eingelagert werden. Voraussetzung für einen beständigen Fußbodenaufbau ist das Einbringen einer Feuchtesperre und einer Wärmedämmung auf verfestigtem Unterboden, z.B. einer gebundenen Liapor-Schüttung. Die historischen Fliesen sollten gereinigt und wiederverwendet, fehlende Fliesen möglichst ergänzt werden.
Ähnlich ist mit der in den anderen Räumen vorhandenen Dielung zu verfahren. Auch hier ist die Sicherung bzw. Restaurierung intakter Dielenbretter ratsam. Bei einer notwendigen Ertüchtigung des Unterbodens kann wiederum mit Schüttungen gearbeitet werden. Die von alten Lackschichten befreiten und abgeschliffenen Dielenbretter sollten mit einem Hartöl satt eingestrichen werden. Nach dem Aufnehmen von Überständen und einer Trocknungszeit von 16 bis 24 Stunden erfolgt ein Zwischenschliff mit einer Körnung von etwa 150 und anschließend je nach Saugfähigkeit noch eine zweite oder dritte Schicht Hartöl.

Allgemeine Anmerkung:

Aus bauhistorischer bzw. denkmalpflegerischer Sicht ist es wünschenswert, die vorhandenen Räumlichkeiten im Erdgeschoss der Rosmarienstraße 7/8 wieder einer Nutzung als Gaststätte zuzuführen. Eine hohe Akzeptanz der Öffentlichkeit aufgrund des noch geläufigen Namens der ehemaligen Wirtschaft "Zur grünen Tanne" ist sehr wahrscheinlich.
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Abb. 24 Fliesenboden mit Feuchteschäden