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Abb. 1 Aktuelle Ansicht, 2012 (Deutsches Fachwerkzentrum Quedlinburg e.V., 2012)
Baujahr: Ende 17. Jahrhundert auf Resten eines Vorgängerbaus von 1594(d) (1)
Inschrift:
Am Bau Beteiligte:

1. Objektbeschreibung

Lage:

Der enge Straßenzug Sonnenklee liegt am westlichen Rand der Altstadt (2), wobei das Haus Nr. 12 etwa mittig des Straßenverlaufs auf der östlichen Seite steht. Unweit des Straßenzuges "Sonnenklee" ist ein Teil der historischen Stadtmauer erhalten geblieben.

Beschreibung:

Das Haus Sonnenklee 12 ist ein Fachwerkbau.
Es erscheint als kleiner traufständiger Baukörper mit rechteckigem Grundriss von 4,50 m x 7,90 m (im Unterstock). Ein Teil des Gebäudes ist unterkellert. Zwei aufgehende Stockwerke und ein hohes, abschließendes Satteldach bilden die Kubatur des Hauses. Fassade, Rückfront und die Giebel sind in Stockwerkbauweise auf einem etwa 40 cm hohen Natursteinsockel errichtet worden, d.h. die Stockwerke und das Dachwerk sind konstruktiv in sich selbstständig abgebunden.
Straßenfassade: Die Ständerstellung entlang der Fassade ist rhythmisch angeordnet. Dabei kragt der Oberstock gegenüber dem unteren Stockwerk um etwa 30 cm vor. Der Unterstock ist in der Breite in sechs Gefache gegliedert. Der Oberstock nimmt die rhythmische Ständerstellung des Unterstocks auf und gliedert sich so in der Breite in sieben Gefache. Je eine Riegellage teilt diese in zwei Felder. Lediglich drei Ständer des Unter- und Oberstocks - die Eckständer und die Ständer der Gebindeachse 2 - stehen in der Achse der Deckenbalken.
Das Vorkommen beschnitzter Schmuckelemente beschränkt sich heute auf die Deckenbalkenzone des Unterstocks und die darauf lagernde Stockschwelle des Oberstocks entlang der Fassade. Die vorkragenden Balkenenden haben abgerundete Balkenköpfe mit seitlicher Fase, die dazwischen liegenden Füllhölzer sind ohne Zier. Die Stockschwelle erhielt zwischen den Deckenbalken eine Taustabprofilierung. Die Fenster werden durch eine profilierte Rahmung und Bekrönung im Stil des 19. Jahrhunderts betont. Weitere Schmuckelemente waren zur Bauzeit 3/4-hohe Streben in den Randgefachen des Oberstocks.
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Abb. 2 Modell einer bauzeitlichen Rekonstruktion der Ansicht (Simone Ruscitti; DFZ Qlb., 2011)
Während der Unterstock der Rückfront nachträglich massiv ausgeführt ist, zeigt sich im Oberstock die bauzeitliche Ständeranordnung in Reihe, d.h. die Ständer stehen in der Achse der Deckenbalken mit einem Achsabstand (Mittelwert) von ca. 1.50 m und kragt um ca. 18 cm vor. Die Frontbreite ist in vier Gefache gegliedert. Eine Riegellage teilt diese in der Höhe in zwei Felder.
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Abb. 3 Vorkragung des Oberstocks an der Rückfront (DFZ Qlb., 2011)
Im Inneren: Die Erschließung des Unterstocks erfolgt über einen Eingang im nördlichen Bereich der Fassade. Die Lage des Hauseingangs befand sich zur Bauzeit in situ. Zur Belichtung der Diele erhielt dieser nachträglich ein rechteckiges, 40 cm hohes Oberlicht.
Durch eine Mittellängswand werden die Stockwerke in zwei Schiffe gegliedert. Eine weitere Raumteilung durch gerüstunabhängige Zwischenwände in Quer- und Längsrichtung findet sich nur im Unterstock.
An der südlichen Giebelwand befand sich wohl bereits zur Bauzeit eine Feuerstelle mit bogenförmig nach oben führendem Schlot. Möglicherweise wurde dieser Schlot von Haus Nr. 12 und 13 gemeinsam genutzt, da der heutige Grundriss von Haus Nr. 13 einen Kamin an beinahe gegenüberliegender Stelle zeigt. Auch wiederholt sich das Vorhandensein einer segmentbogigen Nische - etwa 30 cm tief - in der angrenzenden Wand.
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Abb. 4 Nische mit Segmentbogen hinter Schornstein des 20.Jahrhunderts verborgen (DFZ Qlb., 2011)
Über eine Treppenanlage kann das obere Stockwerk erreicht werden. Dieses teilt die Mittellängswand heute in zwei, zur Bauzeit eine weitere Trennwand in Gebindeachse 3 in vier Räume: Flur und Kammer östlich sowie Stube und Kammer westlich der Längswand. Zapfenlöcher im Deckenbalken mit regelmäßigem Abstand von etwa einem Meter verweisen auf den Wandverlauf von der Straßen- bis zur Rückfront. Auch der Verlauf eines Kaminschlotes in Lage der südwestlichen Kammer ist denkbar.
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Abb. 5 1. Oberstock zweischiffig mit Mittellängsunterzug (Rosi Radecke, 2011)
Traggerüst / tragendes Skelett, Konstruktion, Baumaterial: Im Südwesten des Gebäudes - über etwa die Hälfte der Gebäudetiefe und drei Gebinde breit - erstreckt sich der Kellerraum mit bauzeitlichen Umfassungswänden aus Naturstein in Lehmmörtel, 65 cm hoch, und im weiteren Verlauf aus einer nachträglichen Aufmauerung aus Ziegelsteinen. Die Kellerdecke besteht aus Stahlträgern, von Ost nach West spannend, mit Ziegelstein ausgemauert und von Zementputz verdeckt.
Die traufständigen Wände der zwei Stockwerke, die Giebel wie auch die Trennwände im Inneren wurden bauzeitlich in Fachwerkbauweise errichtet. Der südliche Giebel ist seit einer Umbaumaßnahme um 1780 im Nachbargebäude Sonnenklee 13 ein Brandgiebel aus Mauerziegel.
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Abb. 6 Rekonstruktion der bauzeitlichen Konstruktion (Systemskizze) (DFZ Qlb., 2011)
In Längsrichtung hat das Gebäude tragende Ständerreihen in den Traufwänden sowie eine konstruktive, außermittig angeordnete Längswand bzw. einen Längsrahmen im Dachwerk. An der rückwärtigen Traufwand lassen sich im Oberstock noch zwei geschosshohe Streben in Gebindeachse 3 nachweisen, die der Aussteifung in Längsrichtung dienen (3). Der Achsabstand zwischen den Traufwänden und Längsrahmen beträgt ca. 3,20 m und 4,50 m (von West nach Ost). Eine konstruktive Querwand bildet heute lediglich der Nordgiebel. Vor dem heutigen Südgiebel sind nur noch drei Ständer und die Randbalken des bauzeitlichen Giebels erhalten geblieben und bilden den konstruktiven Querrahmen. Zur Bauzeit im 15. / 16. Jahrhundert befand sich eine zusätzlich Querwand in Gebindeachse 3. Zur Queraussteifung erhielten alle bauzeitlichen Außenwandständer Kopfstreben zu den Deckenbalken.
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Abb. 7 Bauzeitliche Ständer der westlichen Außenwand (Straßenseite) mit Zapfenlöchern für in den Innenraum ragende Kopfstreben (Rosi Radecke und DFZ Qlb., 2011)
Die Ständer der Endgebinde unterhalb des Mittellängsunterzuges erhielten ebenfalls Kopfstreben zur Aussteifung sowohl in Längs- als auch in Querrichtung, ablesbar an den Zapfenlöchern im Unterzug und in den Deckenbalken und einigen aus der Bauzeit erhalten gebliebenen Ständern im Oberstock.
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Abb. 8 Bauzeitlicher Ständer unter Mittellängsunterzug mit Zapfenlöchern für Streben in Längs- und Querrichtung (DFZ Qlb., 2011)
Die entlang der Straßenfassade vorkragenden Deckenbalken wurden außen ursprünglich durch Knaggen gestützt, nachgewiesen durch die noch vorhandenen Zapfenlöcher auf der Unterseite der Deckenbalken.
Bei der Errichtung des bauzeitlichen Fachwerkgerüstes wurden für Außenwandständer, Deckenbalken und Unterzug Eichenhölzer und innen Nadelhölzer verwendet, teilweise mit Waldkante. Je nach Lage und Funktion haben die Hölzer unterschiedliche Querschnitte. Die Ständer aus Eichenholz haben einen durchschnittlichen Querschnitt von 26 x 16 cm, die Unterzüge von 27 x 25 cm, die Deckenbalken von 27 x 24 cm und die bauzeitlichen Rähme aus Nadelholz hingegen nur einen Querschnitt von 16 x 16 cm. Bei baulichen Veränderungen der Fronten und des Nordgiebels wurde Nadelholz verwendet. Dabei kamen Holzverbindungen wie Schlitz-Zapfen- und Blattverbindungen zur Anwendung. So fügt sich das Grundgerüst, bestehend aus Schwelle, Ständer und Rähm sowie dazwischen liegenden Riegeln, durch die Schlitz-Zapfenverbindung mit je einer Holznagelsicherung. Die zur Aussteifung in Längs- und Querrichtung angebrachten Kopf- und Fußstreben bzw. geschosshohen Streben zapfen jeweils in Ständer und Schwelle oder Ständer und Deckenbalken mit Holznagelsicherung. Zapfenlöcher im vorhandenen bauzeitlichen Rähm - in Achse der Deckenbalken - verweisen auf eine bauzeitliche Ständerstellung in Reihe auch im Unterstock. Im Bereich der Deckenbalkenzone der Stockwerke sind die Deckenbalken / Dachbalken mit Rähm und Stockschwelle verkämmt. In der Regel wurden diese Verbindungen mit Holznägeln gesichert (4).
Die Ausfachung der Wände erfolgte Ende des 16. Jahrhunderts mit einem Strohlehmgemisch auf Stakenhölzern mit Flechtwerk, darüber ein Strohlehmputz. In der Rückfront sind Wandfragmente mit bauzeitlicher Füllung bis heute erhalten geblieben.
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Abb. 9 Teilansicht der Rückfront mit bauzeitlicher Fachwerkkonstruktion mit Abbundzeichen und bauzeitlicher Ausfachung aus Stakenhölzern mit Strohlehmputz (DFZ Qlb., 2011)
Außerdem verweist eine Nut auf der Unterseite des bauzeitlichen Rähms des Unterstocks auf den Einschub von Stakenhölzern. Die Ausfachungen der Traufwände besteht heute aus Mauerziegeln, die des Nordgiebels und der Innenwände aus Lehmsteinen bzw. Ziegelsteinen. Ein Strohlehmgemisch, teilweise mit Tierhaaren versetzt, verkleidet die Wände des 17. und 18. Jahrhunderts.
Die Deckenfelder sind mit Lehmwickeln geschlossen, eingeschoben in eine Nut der Deckenbalken. Über den Deckenbalken (Dachbalken) des Oberstocks lagern etwa 3 cm starke Bohlenbretter.
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Abb. 10 Schließung der Deckenfelder mit Strohlehmwickeln (links) und Holzbohlen (rechts) (DFZ Qlb., 2011)
Das Kehlbalkendach mit einfach stehendem Stuhl besteht aus vier Gespärren (5), deren Achsen identisch sind mit den Gebindeachsen der darunter liegenden Stockwerke. Die Sparren zapfen in die Dachbalken und wurden im Dachfirst mittels Scherzapfen und Holznagel verbunden.
Die Gespärre der Giebel sind als Vollgespärre ausgebildet. Die Stuhlsäulen in den Vollgespärren erhielten Fußstreben – in diese und die Dachbalken gezapft - zur Aussteifung des Dachwerks in Querrichtung. Zur Aussteifung in Längsrichtung ist in den Vollgespärren je eine Kopfstrebe mit Stuhlsäule und Längsrähm verzapft. Die Eindeckung erfolgte mit Linkskrempern.
Abbundzeichensystem: Um den einzelnen Hölzern während des Richtvorganges ihren richtigen Platz im Fachwerkskelett zuweisen zu können, wurden die Hölzer von den Zimmerleuten mit Zimmererzeichen, den so genannten Abbundzeichen, gekennzeichnet. Entlang der Rückfront im Oberstock sind einige Abbundzeichen in Form von römischen Ziffern an Ständer, Riegel und Strebe erhalten geblieben. Die Zeichnung erfolgte hier von Ost (außen) und von Süd nach Nord ansteigend.
Anhand des nicht ausgebauten Dachgeschosses sind die unterschiedlichen Abbunde nachvollziehbar. Zunächst steigt die Zeichenzahl in Längsrichtung gebindeweise von Süd nach Nord an, ablesbar an den Südseiten der Sparren. Die östlichen Bauteile erhielten eine Kennzeichnung in römischen Ziffern, die westlichen Bauteile Beilhiebe bzw. römische Ziffern in Kombination mit Dreiecksausstichen (6). Ebenfalls gekennzeichnet wurde die Stuhlkonstruktion. In Längsrichtung erhielt die Stuhlsäule vor dem südlichen Giebel entsprechend der Gebindezahl auf ihrer Westseite einen Beilhieb mit einem dreieckigen Ausstich. Eine weitere Zeichnung befindet sich auf der Nordseite der Stuhlsäule und Strebe dieses Vollgespärres, ein Beilhieb mit vier Dreiecksausstichen. Möglicherweise entstammt diese Kennzeichnung einem älteren Verbau der Hölzer. Weitere Abbundzeichen an den Sparren deuten ebenfalls auf eine Zweitverwendung der Hölzer hin.
Für eine Unterscheidung im Höhensystem bekamen die Abbundzeichen zusätzlich ein Beizeichen: Im Unterstock fehlt es, im 1. Oberstock haben die Hölzer einen Beistrich. Im 1. Dachgeschoss konnten an einer Stuhlsäule zwei Beistriche zur Höhendifferenzierung nachgewiesen werden.

2. Abriss der Baugeschichte

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Abb. 11 Grundrisse mit Baualterskartierung: Unterstock (DFZ Qlb., 2011)
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Abb. 12 Grundrisse mit Baualterskartierung: Oberstock (DFZ Qlb., 2011)
Um 1594 wurde auf dem Grundstück Sonnenklee 12 ein Fachwerkbau über einem Keller aus Natursteinmauerwerk mit Tonnengewölbe errichtet. Die Ständer der Traufwände waren in Reihe angeordnet und die Vorkragung an der Straßenfassade durch Knaggen gestützt. Die Ausfachung der Gefache bestand aus Stakenhölzern mit Flechtwerk und Strohlehmputz. Der Hauseingang befand sich vermutlich zu dieser Zeit schon im nördlichen Gebäudeteil. Im Unterstock befand sich über dem Keller am Südgiebel eine Kochstelle oder Schwarze Küche, der Oberstock beherberge die Stube und Kammer. Aufgrund der Größe des Gebäudes und des Umstandes, dass viele Hölzer in Zweitverwendung verbaut wurden, lässt sich vermuten, dass dem Bauherrn nur geringe finanzielle Mittel zur Verfügung standen.
Die Neuerrichtung des Nordgiebels erfolgte im 17. / 18. Jahrhundert, lediglich die Eckständer blieben erhalten. Die Ausfachung erfolgte dann mit Lehmsteinen in Lehmmörtel und einem Verputz aus Strohlehmgemisch. Während bauzeitlich der Fußboden des Oberstocks einen Gipsestrichbelag besaß, wurden darauf in dieser Zeit die barocken Dielen verlegt. Aufgrund des heute (2014) noch vorhandenen ungestörten Dielenbelags lässt sich vermuten, dass wohl bereits im 17. / 18. Jahrhundert die Trennwand in Gebindeachse 3 entfernt wurde, um einen großen Wohnraum zu schaffen.
Im 18. / 19. Jahrhundert wurde das Wohnhaus umfangreich umgebaut und den neuen Bedürfnissen der Wohnnutzung angepasst. Bei der Veränderung der bauzeitlichen Struktur blieben Bauteile des Vorgängerbaus in situ, wie die Deckenbalken, die Unterzüge und einige Ständer der Außenwände. Die Ständerreihung entlang der Fassade wurde für die rhythmische Anordnung mit schmalen Wand- und breiten Fensterfeldern aufgegeben. Die Fenster erhielten eine profilierte Rahmung und Bekrönung, wie sie heute noch vorzufinden ist. Des Weiteren wurde die Kellerdecke und somit das Fußbodenniveau im südwestlichen Bereich des Unterstocks um etwa 65 cm angehoben.
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Abb. 13 Fachwerkkonstruktion unter Mittellängsunterzug des Unterstocks entfernt (DFZ Qlb., 2011)
Umbaumaßnahmen neueren Datums folgten. So wurde wohl zwischen Mitte und Ende des 20. Jahrhunderts ein Anbau über zwei Stockwerke an der Rückfront errichtet; für die Erreichbarkeit wurden Wanddurchbrüche geschaffen. Während der jüngsten Sanierungsarbeiten im 21. Jahrhundert erhielt des Dachwerk Zwischen-Sparrenpaare und Fußpfetten zur Verstärkung. Der Anbau wurde abgebrochen.
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Abb. 14 Mittellängsunterzug des Unterstocks für Türeinbau ausgeschnitten (DFZ Qlb., 2011)